Bundesgerichtshof contra Landgericht Berlin
veröffentlicht am: 23.09.2025
Wer Mietrückstände rechtzeitig ausgleicht, kann eine fristlose Kündigung abwenden. Eine ordentliche Kündigung bleibt jedoch bestehen. Daran hält der Bundesgerichtshof (BGH) unbeirrt fest, sehr zum Missfallen des Landgerichts Berlin II, das immer wieder eine andere Linie verfolgt.
Die Schonfristregelung in § 569 Absatz 3 Nummer 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) erlaubt Mietern, eine fristlose Kündigung durch nachträgliche Zahlung der Rückstände abzuwenden. Für ordentliche Kündigungen gilt dies nicht. Nach ständiger Rechtsprechung heilt die Nachzahlung von Mietrückständen nur die fristlose Kündigung, nicht aber die ordentliche (§ 573 Absatz 2 Nummer 1 BGB). Dies hat der BGH mehrfach bestätigt, etwa mit seinen Urteilen vom 13. Oktober 2021 (VIII ZR 91/20), 5. Oktober 2022 (VIII ZR 307/21), 9. April 2025 (VIII ZR 145/24) und zuletzt am 23. Juli 2025 (VIII ZR 287/23). Er stellte klar: Die Schonfristregelung gilt ausschließlich für fristlose Kündigungen.
Berliner Sonderweg
Das Landgericht Berlin II, konkret die Zivilkammer 66, hält trotz wiederholter Korrekturen aus Karlsruhe an der Auffassung fest, dass auch ordentliche Kündigungen durch Schonfristzahlungen hinfällig würden, etwa mit seinen Urteilen vom 31. März 2023 (66 S 149/22) und 1. Juli 2022 (66 S 200/21). In der jüngsten Sache verwies der BGH das Verfahren zwar zurück, allerdings nicht an die Kammer, die das ursprüngliche Urteil erlassen hatte, sondern an eine andere Kammer. Ein deutlicher Hinweis auf das mangelnde Vertrauen in die bisherige Spruchpraxis der besagten Kammer.
Bemerkenswert ist zudem, dass die Zivilkammer 66 des Landgerichts Berlin II nicht nur bei der Schonfristregelung auffällig mieterfreundliche Positionen einnimmt. Auch in anderen Bereichen weicht sie wiederholt von der höchstrichterlichen Linie ab, etwa wenn sie die Eigenbedarfskündigungen eng auslegt oder Schönheitsreparaturklauseln mit großzügiger Hand zulasten der Vermieter kippt. In Summe entsteht das Bild einer Kammer, die im Zweifel eher den Mieter schützt, als das Gesetz konsequent anzuwenden.
Politische Dimension
Im Koalitionsvertrag 2025 ist ausdrücklich vorgesehen, die Schonfristregelung auch auf die ordentliche Kündigung auszuweiten. Allein dieser Hinweis zeigt, dass eine solche Wirkung nach geltendem Recht aktuell nicht besteht. Bis zu einer möglichen Gesetzesänderung bleibt es bei der klaren Linie des BGH. Haus & Grund setzt sich bei einer möglichen Reform dafür ein, dass insbesondere private Kleinvermieter nicht nachhaltig beeinträchtigt werden. Viele sind auf regelmäßige Mietzahlungen angewiesen, sei es zur Altersvorsorge, zur Finanzierung laufender Kredite oder weil die Mieten einen wesentlichen Teil des Einkommens darstellen. Eine Ausweitung der Schonfrist darf diese Gruppe nicht übermäßig belasten.
Folgen für den Wohnungsmarkt
Fraglich bleibt, ob Investoren bei Immobilien, deren Mietverhältnisse der Zuständigkeit der 66. Berliner Zivilkammer unterliegen, künftig einen Abschlag wegen erhöhter Mietausfallrisiken einkalkulieren sollten. Wenn sich ein Gericht beharrlich weigert, die höchstrichterliche Linie umzusetzen, mag das zwar für Mieter tröstlich sein, für Eigentümer aber kann es zur Wertminderung ihrer Immobilie führen. Deutschland braucht dringend (private) Investitionen in Wohnraum, und Vermieten muss wieder attraktiver werden. Eine Ausweitung der Schonfristregelung hätte zudem unerwünschte Nebenwirkungen: Je schwerer es für Vermieter wird, sich von finanziell belastenden Mietverhältnissen zu lösen, desto stärker rücken Bonität und Einkommen bei der Mieterauswahl in den Vordergrund. Gerade Wohnungssuchende mit geringerer finanzieller Ausstattung oder aus dem Niedriglohnsektor könnten dadurch zunehmend vom Mietmarkt verdrängt werden.
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